Als ich Luna das erste Mal gesehen habe, hat sie mich angelacht – und ich bin kurz zusammengezuckt. Weil ich nicht recht wusste, ob sie nun lacht oder mir gleich an die Gurgel will. Irgendwann habe ich gemerkt, sie freut sich wirklich, ganz ohne Beiß-Hintergedanken. Jetzt verstand ich auch, warum die Dame von der Pflegestelle sie liebevoll „Grinsekatze“ nannte, die undurchsichtige Katze aus Alice im Wunderland.
Und Luna grinst viel. Sobald sie am Morgen den ersten Laut vernimmt, kommt sie wie von der Tarantel gestochen angerannt und grinst – mit hochgezogenen Lefzen, der einen Blick auf ihre Zähne freigibt oder zumindest auf das, was davon übriggeblieben ist. Das ist die tragische Geschichte: Luna fehlt fast die komplette obere Reihe ihrer Vorderzähne. Laut Tierärztin wahrscheinlich nicht durch einen Unfall, sondern durch Menschen, die es nicht gut mit ihr meinten. Luna kommt aus dem Tierschutz.
Doch trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer traumatischen Erlebnisse hat sie uns in ihr großes Hundeherz geschlossen und liebt vor allem meinen Mann abgöttisch. Was uns auch gleich zu ihrer zweiten Leidenschaft führt: ihren Job als knallharte Bewacherin. Bei uns kommt niemand rein, der hier ihrer Meinung nach nix zu suchen hat, allen voran der Postbote.
Luna ist schon soweit konditioniert, dass sie das Postauto drei Häuser weiter vernimmt und anschlägt als drohe eine Invasion von Zombies. Sie arbeitet dabei stets mit vollem Körpereinsatz, das heißt sie bellt nicht nur, sondern schmeißt sich gegen das schöne geschmiedete Metalltor, das mittlerweile an Schönheit eingebüßt hat und von Kratzern übersät ist. Um das Hoftor – und vor allem den Postboten – zu verschonen, rufen wir sie sofort ins Haus. Das Problem: Der Postbote beziehungsweise die Postbotin kommen nicht immer zur selben Zeit.
Und: Luna ist flexibel. Als ich sie einmal auf der Arbeit dabei hatte und wir mittags Gassi gingen, flippte sie plötzlich aus. Scheinbar grundlos. In weiter Ferne erblickte ich dann: ein Postauto. Doch die Post ist ebenfalls nicht von gestern. Sie hat inzwischen auch Elektroautos im Flotten-Angebot. Doch irgendwann kannte Luna auch das surrende Geräusch des Streetscooters.
Große Schwester
Welche Beziehung Luna und Leni miteinander haben, auf diesem Gebiet bin ich mir nicht vollends sicher. Leni war als erstes da und genoss somit Hausrecht. Sie hat wohl eher die Funktion „große Schwester“ inne. Die beiden Damen schmusen nicht miteinander und versuchen, auch im Korb möglichst wenig Körperkontakt zu haben. Es gilt meistens die Devise: Der Kopf muss immer außen sein, nur die beiden Hinterteile dürfen sich berühren.
Wo wir schon beim Korbthema sind. Am Anfang gingen wir von folgender These aus: Zwei Hunde, zwei Körbe. Klaro. Vollkommen logisch. Das Ende vom Lied war, dass die bereits besetzte Liegegelegenheit immer als die bessere erschien – Und es gab Zoff. Der Korb an sich war egal, hier gab es keine Präferenzen, es ging schließlich ums Prinzip! Besetzt bedeutete: „Genau den will ich und keinen anderen!“ Da wurde dann gemault und gefletscht, jeden Tag aufs Neue.
Irgendwann kam mein Mann auf die glorreiche Idee, einen großen Korb für beide hinzustellen. Ich war zugegebenermaßen ziemlich skeptisch. Wir warteten gespannt auf das Ergebnis unseres Experiments. Und siehe da: Es funktionierte. Kein Gezeter mehr. Beide lagen drin als wäre es das Normalste der Welt. Wir verstanden es zwar nicht wirklich, aber das war uns nach dem ganzen Terz herzlich egal.
Ebenfalls interessant war die Tatsache, dass die Plätze nicht fest vergeben waren, sie wechseln ständig. Wer sich mal in der Mittagspause beobachtet hat, wird bemerken, dass er sich höchstwahrscheinlich immer auf denselben Platz setzt – genau wie seine Kollegen. Wir lernen: Hunde sind vielleicht doch weniger Gewohnheitstiere als wir alle denken.
Aber wehe, Leni hat es sich so richtig bequem gemacht und liegt voll ausgestreckt quer im Korb. Dann traut sich Luna nicht hinein und schaut uns fragend an. Leni sieht überhaupt keinen Anlass, auch nur einen einzigen Millimeter zu rutschen. Warum auch? Sie liegt ja komfortabel. Wir wenden dann die Schiebetechnik an, Leni macht sich gefühlt zehn Kilo schwerer – und Luna quetscht sich in Ölsardinen-Manier an die Seite. Was für ein Hundeleben…
Bis zum nächsten Mal!
Eure Tanja